06162-720 9797

Der Waschbär - Informationen zu Biologie und Bekämpfungsmöglichkeiten

Aktuelles

In dieser Rubrik berichten wir u. a. regelmäßig über ein aktuelles Thema aus dem Bereich der Schädlingskunde. Der Waschbär gehört in Deutschland zu den Tierarten, die ursprünglich hier nicht heimisch waren. Vor allem in Nordhessen haben sich Waschbären vielerorts inzwischen zu einer echten Plage entwickelt. Wir berichten hier über die Lebensweise des Waschbärs (Procyon lotor) und informieren über Schadpotenzial und Bekämpfungs- bzw. Vergrämungsmethoden.

Hier finden Sie unserere aktuellen Seminartermine

Zusammenfassung

Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Waschbär (Procyon lotor) wurde vor nunmehr fast 70 Jahren in Nordhessen ausgewildert und hat sich mittlerweile in weiten Teile Mitteleuropas etabliert. Der enorme Erfolg der Art in ihrem neuen Lebensraum beruht auf dem weitgehenden Fehlen von Prädatoren, einer ausgeprägten Omnivorie sowie einer hohen sozioethologischen Flexibilität. Es werden Angaben zur Biologie des Waschbären gemacht, sowie mögliche Probleme diskutiert, die der Waschbär im menschlichen Siedlungsbereich verursachen kann. Abschließend wird auf Möglichkeiten eines Bestands-Managements eingegangen. 

Einleitung

Waschbären waren ursprünglich nur in Nordamerika beheimatet, bevor sie vom Menschen auch in Asien und Mitteleuropa eingebürgert wurden. Mittlerweile stellt die Art in Deutschland einen festen Bestandteil der hiesigen Fauna dar und gilt als ein Paradebeispiel für die Neozoen-Problematik. Als Neozoen werden solche Tierarten definiert, die nach dem Jahr 1492 unter direkter oder indirekter Mitwirkung des Menschen in ein bestimmtes Gebiet gelangt sind und dort wild leben. Dabei wird das Jahr 1492 als Symbol für den Beginn des Kolonialzeitalters verstanden. Seit dieser Zeit ist es durch die zunehmende Vernetzung der Kontinente zu einem verstärkten Austausch von Tier- und Pflanzenarten gekommen. Vor 1492 eingeführte oder eingeschleppte Tierarten werden als Archäozoen bezeichnet. Beispiele für in Deutschland heimische Archäozoen sind die Hausmaus (Mus musculus) oder das Heimchen (Achaeta domestica). Das Auftauchen einer neuen Tierart in einem bestimmten Gebiet kann zu erheblichen Veränderungen der dort etablierten Biozönose (Artengemeinschaft) führen. Ein Beispiel hierfür ist das Aussterben zahlreicher Buntbarscharten im Viktoriasee durch die Ansiedlung des Nilbarsches (Lates niloticus). Andere Neozoen wie z. B. der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) können in ihrem neuen Lebensraum erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen.

Systematik und Verbreitung des Waschbären

Procyon lotor (Linné, 1758) gehört innerhalb der Ordnung Carnivora Raubtiere) der Familie der Procyonidae (Kleinbären) an. In Nordamerika, seinem natürlichen Verbreitungsareal, kommt der Waschbär mit 25 Unterarten vom südlichen Kanada über die USA bis nach Panama vor. In Mitteleuropa und Asien wurde der Waschbär eingebürgert. Die Übersetzung des lateinischen Artnamens Procyon lotor bedeutet soviel wie „Waschhund“. Der englische Trivialname der Art lautet „racoon“ und lässt sich von dem indianischen Wort „arakun“ ableiten, was frei übersetzt „der mit den Händen nach etwas scharrt“ heißt. Alle diese Namen deuten darauf hin, dass Waschbären sehr geschickt mit den Vorderpfoten manipulieren können. 

Einbürgerung und Ausbreitung des Waschbärs in Mitteleuropa und Asien

Im Jahr 1934 wurden im nordhessischen Kreis Frankenberg am Edersee zwei männliche und zwei weibliche Waschbären ausgesetzt. Zusammen mit einzelnen Individuen, die in späteren Jahren aus Pelztierfarmen entkamen, bilden diese Individuen von Procyon lotor den Grundstock der mitteleuropäischen Waschbär-Population. Anfang der 70er Jahre verteilten sich die Erlegungsorte in West-Deutschland über eine Fläche von 30.000 Quadratkilometern. 1979/1980 wurde der Bestand auf 50.000 bis 70.000 Waschbären geschätzt. Im Osten Deutschlands konnte sich ab 1945 eine zweite stabile Population etablieren, die auf einige Waschbären zurückgeht, die im Kreis Straußberg östlich von Berlin aus einer Pelztierfarm entkamen. Mittlerweile hat sich der Waschbär fast über ganz Deutschland ausgebreitet. Auch aus Dänemark, den Niederlanden, Luxemburg, Belgien, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Ungarn, Tschechien, und der Slowakei liegen Beobachtungen vor. Bis heute sind die Bundesländer Hessen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen die Gebiete mit dem höchsten Waschbärvorkommen in Mitteleuropa. So wurden während der Jagdsaison 1999/2000 allein in Hessen 4.151 Tiere erlegt. In Brandenburg waren es 1.497 und in Nordrhein-Westfalen 1.304 Individuen. Im gesamten Bundesgebiet wurden 8.445 Waschbären erlegt. Auch nach Asien wurde Procyon lotor eingeführt. Hier existiert ein Waschbär-Vorkommen im Kaukasusgebiet (Aliev & Sanderson, 1966).

Beschreibung

Der Körper des knapp fuchsgroßen Waschbären erscheint durch die lange Behaarung eher plump. Der relativ kurze Schwanz mit der charakteristischen Färbung von fünf bis sieben dunklen Ringen (einschließlich Schwanzspitze) erreicht nur knapp die Hälfte der Körperlänge. Die Fellfärbung setzt sich aus verschiedenen Grautönen zusammen. Typisch ist eine braunschwarze bis schwarze Maske, die quer über Wangen- und Augenregion verläuft, sich als dünnes Band in Richtung Stirn fortsetzt und beiderseits von weißlichem Fell eingerahmt ist. Man nimmt an, dass diese Gesichtsmaske, ähnlich wie beim Dachs, als optisches Signal für das gegenseitige Erkennen von Artgenossen dient. Allgemein werden die Männchen etwas größer und auch schwerer als die Weibchen (s. Tab. 1). Es ist allerdings anzumerken, dass das Gewicht eines einzelnen Individuums im Jahresverlauf stark schwanken kann. 

Tabelle 1: Körpermaße des Waschbären (56 adulte Tiere) (nach Stubbe, 1993)

Körpermaße
Männchen (n = 30)
Weibchen (n = 26)
Gewicht (g)
3.420 – 10.150
3.050 – 6.755
Kopfrumpflänge (mm)
432 – 670
450 – 595
Schwanzlänge (mm)
200 – 295
192 – 295
Ohrlänge (mm)
46 – 69
46 – 68
Hinterfußlänge (mm)
90 – 117
81 – 107

 

Die Zahnformel lautet: 3 1 4 2 / 3 1 4 2

Procyon lotor besitzt demnach also 40 Zähne. Die Anzahl und Abfolge der Zahntypen ist in Ober- (Ziffern oberhalb) - und Unterkiefer (Ziffern unterhalb des Bruchstrichs) identisch. Das Waschbär-Gebiß weist insgesamt 12 Incisivi (Schneidezähne), 4 Canini (Eckzähne), 16 Prämolares und 8 Molares (Backenzähne) auf. In Mitteleuropa ist der Waschbär allenfalls mit einem weiteren Neozoen, dem Marderhund (Nyctereutes procyonoides) zu verwechseln, der allerdings keinen geringelten Schwanz aufweist.

Angaben zur Biologie des Waschbären

Charakteristisch für den Waschbären ist die große Anpassungsfähigkeit an verschiedene Lebensräume. Im natürlichen Verbreitungsgebiet werden so unterschiedliche Habitate wie Waldgebiete, Prärien, Sumpflandschaften und Mangrovengürtel besiedelt. Trockengebiete und reine Nadelwälder meidet der Waschbär dagegen weitgehend. Als Kulturfolger kommt Procyon lotor auch in landwirtschaftlich genutzten Gebieten, Dörfern und Städten vor. Als Vorzugshabitate gelten Laubmischwälder, die von Feuchtgebieten und landwirtschaftlichen Flächen durchsetzt sind. 

Der Waschbär ist ein Allesfresser, dessen Nahrungsspektrum vor allem von jahreszeitlichen Faktoren abhängig ist. Der pflanzliche Nahrungs-Anteil, der im Sommer und Herbst im allgemeinen überwiegt, kann in einigen Gegenden Nordamerikas 74 bis 90 % betragen. In Deutschland liegt er zwischen 43 und 56 % (Lutz, 1981). In nordamerikanischen Studien wurde festgestellt, dass Krebse und Mollusken (je bis 85 %), Fische (bis 65 %), Würmer (bis 50 %), junge Bisamratten (bis 40 %), Insekten (bis 22 %), Weintrauben (bis 60 %), Eicheln (bis 57 %), Mais (bis 50 %), Obst und Beeren, sowie Kleinsäuger, Vögel und deren Gelege (je bis 12 %) in das Nahrungsspektrum des Waschbären gehören. Im Durchschnitt verteilen sich die Nahrungsanteile zu je einem Drittel auf pflanzliche Anteile, Wirbeltiere und Wirbellose. Auch Aas verschmäht der Waschbär. Im Herbst legt sich Procyon lotor v. a. mit nahrhafter pflanzlicher Kost ein Fettdepot von bis zu 2,5 kg für den Winter an. Wirbellose, insbesondere Insekten in den verschiedenen Entwicklungsstadien, verzehrt der Waschbär ganz ganze Jahr hindurch. Besondere Bedeutung kommt dieser Nahrungskomponente im späten Winter und im Frühjahr zu.

Abb. 1: Der Waschbär (Procyon lotor) besitzt eine charakteristische Gesichtsmaske und stammt ursprünglich aus Nordamerika

Abb. 1: Der Waschbär (Procyon lotor) besitzt eine charakteristische Gesichtsmaske und stammt ursprünglich aus Nordamerika

Waschbären bringen nur einmal pro Jahr Junge zur Welt. Die Paarungszeit liegt in Mitteleuropa in den Monaten Januar und Februar. Während dieser Zeit durchstreifen die polygamen Männchen von Procyon lotor ihr Revier nach begattungsbereiten Weibchen und können pro Nacht bis zu 20 Kilometer zurücklegen. Waschbär-Weibchen sind über drei bis sechs Tage hinweg paarungsbereit und lassen sich nur von einem Männchen begatten. Bleibt die Begattung aus, oder verliert das Weibchen die Jungen kurz nach der Geburt, so kann es nach 80 bis 140 Tagen zu einer erneuten Ovulation kommen. Die Tragzeit beträgt im Schnitt 63 Tage, so dass die meist drei bis fünf Jungen i. d. R. im Frühjahr zur Welt kommen. Die Betreuung der Jungtiere erfolgt allein durch die Mutter. Die Jungen sind typische Nesthocker, die mit geschlossenen Augen und Ohren geboren werden. Mit sechs Wochen ist das Milchgebiss fertig ausgebildet und die Jungen beginnen mit der Aufnahme von fester Nahrung. Zu diesem Zeitpunkt verlässt die Familie auch die Geburtstätte (meist eine Baumhöhle). Ab einem Alter von zwei Monaten begleiten die jungen Waschbären ihre Mutter auf gemeinsamen Streifzügen. Tagsüber werden dann ständig wechselnde Schlafplätze aufgesucht. Mit spätestens vier Monaten ist das Dauergebiss vollständig entwickelt und die Jungtiere sind von der Muttermilch entwöhnt. Der Familienverband löst sich spätestens zu Beginn der nächsten Fortpflanzungsperiode auf. Während die Weibchen von Procyon lotor häufig schon am Ende des ersten Lebensjahres geschlechtsreif sind, werden die Männchen meist erst mit zwei Jahren sexuell aktiv. Dies könnte als Strategie zur Verhinderung von Paarungen zwischen Geschwistern interpretiert werden. Das Geschlechterverhältnis liegt in Procyon lotor-Populationen bei 1:1.

In den nördlichen Verbreitungsgebieten legt der Waschbär eine Winterruhe von bis zu vier Monaten ein. Während dieser Zeit nehmen Waschbären keine Nahrung auf und zehren allein von körpereigenen Reserven, die sie sich im Herbst v.a. mit pflanzlicher Nahrung angelegt haben. Es handelt sich nicht um einen echten Winterschlaf, da weder Atem- und Herzschlagfrequenz, noch Körpertemperatur reduziert sind. Häufiger überwintern mehrere Waschbären in derselben Höhle. Im südlichen Teil des natürlichen Verbreitungsgebietes von Procyon lotor findet keine Winterruhe statt. In Gefangenschaft können Waschbären bis zu 22 Jahren alt werden. Im Freiland beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung von Procyon lotor dagegen nur rund sieben Jahre. In harten Wintern kann die Jugendsterblichkeit bis auf 60 % ansteigen.

Der Waschbär ist hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktiv. Den Tag verbringen Waschbären bevorzugt in Baumhöhlen. Seltener werden Felsspalten Erdhöhlen, Murmeltierbaue, Bootsschuppen, Speicher und verlassene Greifvogelhorste genutzt. Die Schlafplätze von Procyon lotor liegen besonders häufig in der Nähe von Gewässern. Die Größe der Aktionsräume ist relativ variabel, wobei die Gebiete der Männchen im allgemeinen größer sind als die der Weibchen und Jungtiere. So können nach Fritzell (1978) durchaus mehr als zwei adulte Weibchen im Revier eines männlichen Waschbären vorkommen. Häufig kann ein Überlappen von Aktionsräumen beobachtet werden. In Randbezirken von Ohio lag die Größe der Aktionsgebiete für die Männchen zwischen 15,8 und 52,3 ha, während sich die Weibchen von Procyon lotor mit Territorien von 3,8 bis 14,6 ha begnügten (Hoffmann & Gottschang, 1977). Dagegen betrug die durchschnittliche Größe der Aktionsräume in der landwirtschaftlich intensiv genutzten Kulturlandschaft Nord-Dakotas für männliche Waschbären 2.560 ha, für weibliche Tiere 806 ha (Fritzell, 1978). In den USA finden sich die niedrigsten Waschbär-Populationsdichten mit 0,5 bis 3,2 Individuen pro 100 ha in den landwirtschaftlich geprägten Präriegebieten Nord Dakotas und Manitobas (Cowan, 1973 und Fritzell, 1978). In Wald- und Sumpfgebieten des Mittleren Westens und in den Oststaaten der USA wurden i.d.R. 10 bis 20 Individuen von Procyon lotor pro 100 ha festgestellt (Kaufmann, 1982). Hoffmann & Gottschang (1977) ermittelten in der Siedlung Glandale in der Nähe von Cincinnati (Ohio) Waschbärdichten von 77 bis 176 Individuen pro 100 ha und sehr kleine Aktionsräume von durchschnittlich 5 ha Fläche. Spätere Untersuchungen befassten sich mit Waschbärpopulationen in den Großstädten Washington (Sherfy & Chapman, 1980; Hadidian et al., 1991) und Toronto (Rosatte et al., 1991). Dabei wurden lokal ähnlich hohe Dichten von 100 Waschbären pro 100 ha festgestellt. Alle Untersuchungen belegten übereinstimmend, dass Wohngebiete und Vororte bevorzugt vom Waschbären besiedelt werden.

Auch aus Deutschland liegen Angaben zu Populationsdichten und Territoriumsgrößen des Waschbären vor. In einem Mischwaldgebiet des Weserberglandes (Südniedersachsen), das seit 1955 vom Waschbär besiedelt ist, besaßen adulte Rüden im Winter eine mittlere Aktionsraumfläche von 754 ha und 1.012 ha im Sommer. Die von adulten Waschbär-Weibchen genutzte Fläche war deutlich kleiner und lag bei durchschnittlich 273 ha im Winter und 374 ha im Sommer. Für juvenile Waschbären wurden mittlere Aktionsraumflächen von 87 ha (Winter) bzw. 112 ha (Sommer) festgestellt. Subadulte Rüden von Procyon lotor besaßen dieser Untersuchung zufolge die größten Aktionsräume mit 2.239 ha im Winter und 1.644 ha im Sommer (Hohmann, 1998). Die Dichte der hier untersuchten Teilpopulation wurde auf zwei bis vier Individuen pro 100 ha geschätzt. Im Bereich der nordhessischen Stadt Bad Karlshafen, die südlich an dieses Waldgebiet angrenzt, wurde dagegen mit 109 Individuen pro 100 ha eine deutlich höhere Populationsdichte festgestellt (Voigt, 2000). Dieser Vergleich zeigt sehr anschaulich, dass Ortschaften für den Waschbären ideale Siedlungsräume darstellen, in denen die Art hohe Populationsdichten ausbilden kann. Man nimmt an, dass sich der Waschbär in den USA seit Mitte des 20. Jahrhunderts vermehrt im Bereich menschlicher Siedlungen ausbreitet. Die Stadt bietet dem äußerst anpassungsfähigen Waschbären ideale Lebensbedingungen. Waschbären zeigen hier eine hohe Reproduktivität und weisen eine gute körperliche Verfassung auf (Rosatte et al., 1991). Als Versteckmöglichkeiten nutzt der Waschbär Abwassersysteme, Häuser, Scheunen und alte Bäume in Parks und Gärten. Der Winter ist im Bereich von Städten nicht ganz so hart wie im Umland und Nahrung ist ganzjährig und oftmals im Überfluss vorhanden. Hoffmann & Gottschang (1977) stellten bei der o. g. Studie aus Ohio in Kotproben von Waschbären Früchte und Samen von nicht weniger als 46 Pflanzenarten fest. Rosatte et al. (1991) berichten aus Toronto, dass die zahlreich angelegten Golfplätze und Rasenflächen Procyon lotor ideale Bedingungen für den Regenwurmfang bieten. Aber vor allem der Hausmüll stellt im urbanen Lebensraum eine ergiebige Nahrungsquelle für den Waschbären dar (Hoffmann & Gottschang, 1977).

Adulte Individuen von Procyon lotor sind i. d. R. sehr standorttreu. Lediglich subadulte Waschbären unternehmen bei der Erkundung neuer Gebiete größere Wanderungen, wobei Männchen offenbar aktiver sind als Weibchen. Nach Stuewer (1943) wanderten junge Männchen im Schnitt 18,9 km vom Geburtsort ab, während es bei den Weibchen nur 13,3 km waren. Die weitesten Distanzen, die von markierten Jungtieren bekannt wurden, waren 254 km (Lynch, 1971) bzw. 266 km (Priewert, 1961). Angaben zum Sozialverhalten des Waschbären sind uneinheitlich. Viele Autoren gehen davon aus, dass die Art nicht in jedem Fall territorial lebt (Stuewer, 1943; Sharp & Sharp, 1956; Seidensticker et al., 1988). Barash (1974) und Ough (1982) postulieren eine Dominanzhierarchie unter benachbarten Individuen. In den Präriegebieten von Nord Dakota, wo die Populationsdichte bei weniger als einem Individuum pro 100 ha liegt, stellte Fritzell (1978) eine solitäre Lebensweise bei adulten Waschbärmännchen fest. Die äußerst weitläufigen Männchen-Territorien umschlossen stets die Gebiete von zwei bis drei Weibchen. In Texas beobachtete Gehrt (1994) bei Populationsdichten von vier bis 12 Individuen pro 100 ha, dass männliche Waschbären Gruppenterritorien bilden, in denen bis zu sechs Tiere zusammenleben können. Ähnliche Beobachtungen wurden auch im niedersächsischen Solling gemacht (Hohmann, 1998). Hier bildeten adulte und offenbar nicht näher miteinander verwandte Waschbär-Rüden langjährige Koalitionen.

Das Seh-, Hör- und Riechvermögen von Procyon lotor ist gut. Allerdings sind die nachtaktiven Waschbären farbenblind. Der ausgezeichnete Tastsinn spielt bei der nächtlichen Lebensweise eine wichtige Rolle. Nahrung wird mit den Vorderpfoten ertastet und ergriffen. Dabei können die Daumen sogar zum Umgreifen von Gegenständen benutzt werden. Auf diese Weise gelingt es dem Waschbär im Flachwasser Krebse, Schnecken und Insektenlarven zu erbeuten. Waschbären sind äußerst neugierig und lernfähig. Darüber hinaus sind sie in der Lage komplizierte Handlungsabläufe über längere Zeiträume hinweg zu speichern. So berichtet z. B. Kitzmiller (1934), dass das erlernte Öffnen eines Käfigs nach ein bzw. zwei Jahren sofort wieder ausgeführt wurde.

In Mitteleuropa hat Procyon lotor kaum natürliche Feinde, so dass dieser Faktor nicht zu einer Reduzierung der Waschbär-Bestände führen kann. Auch Krankheiten spielen bei der Populationsentwicklung so gut wie keine Rolle. So wurden zwischen 1960 und 1975 in West-Deutschland lediglich 15 Fälle von Tollwut gemeldet (Wachendörfer, 1979), obwohl der Waschbär zu den potenziellen Virusträgern gehört. Neben der Tollwut können Waschbären auch andere infektiöse Krankheiten wie Staupe, Panleukopenie, Aujeszkysche Krankheit, das Canine Parvovirus, das Canine Adenovirus, Leptospirose, Tularämie und Chagas Krankheit übertragen. Sehr häufig sind Waschbären von dem Spulwurm Baylisascaris procyonis befallen, der auch dem Menschen gefährlich werden kann (Gey, 1991; Küchle et al., 1993). In manchen Gegenden der USA liegt die Befallsrate von Procyon lotor mit Baylisascaris procyonis bei 80 %. Während für den Waschbären selbst ein Befall kein Problem darstellt, kann dieser Parasit bei Fehlwirten wie Hund oder Mensch das zentrale Nervensystem schädigen, Blindheit verursachen oder sogar zum Tod führen.

Wesentlich stärker als durch Feinde und Krankheiten wird die Populationsentwicklung des Waschbären durch die Verfügbarkeit von Ruhe- und Schlafplätzen sowie Aufzuchtstätten für den Nachwuchs beeinflusst. Insbesondere alte Eichen mit ausladenden breiten Ästen und Astgabeln, sowie geräumigen Höhlen werden von Waschbären bevorzugt. Ein weiterer bestandsregulierender Faktor ist die Verfügbarkeit von pflanzlicher Kost zum Anlegen von Fettreserven für den Winter. In Nordamerika erfolgt die Kontrolle der Waschbärbestände durch die Jagd. Bis 1954 stand der Waschbär in Deutschland unter Naturschutz. 1994 unterlag die Art in 13 Bundesländern (Ausnahme: Baden-Württemberg, Berlin und Saarland) dem Jagdrecht. In Mitteleuropa halten Populationswachstum und Arealerweiterung auch fast 70 Jahre nach dem ersten „erfolgreichen“ Auswildern von zwei Paaren in Nordhessen immer noch an. So hat sich die jährliche Abschussquote in West-Deutschland zwischen 1959 und 1970 alle drei Jahre verdoppelt.

Mögliche Probleme mit Waschbären

Vor allem in Städten mit großen Waschbärpopulationen wird Procyon lotor zunehmend als Lästling wahrgenommen. Ähnlich wie Hausmarder (Martes foina) nutzen Waschbären Dachböden als Tagesverstecke oder zur Jungenaufzucht, was für die menschlichen Hausbewohner zu beträchtlicher Lärmbelastung führen kann. Hinzu kommt, dass die Tiere auf dem Dachboden auch ihren Kot hinterlassen, was aufgrund der häufig darin anzutreffenden Spulwurmeier ein ernstes Hygiene-Problem darstellt. Im Garten können Waschbären v. a. im Herbst Schäden anrichten, wenn sie reifes Obst und Gemüse verzehren. Auf der Suche nach Regenwürmern und Engerlingen werden z. T. Komposthaufen und Rasenflächen zerwühlt. Um an Essensreste zu gelangen, können Mülltonnen ausgeleert werden. Wie bereits oben erwähnt, können Waschbären eine Reihe von Infektionskrankheiten und Parasiten auf Haus- und Nutztiere, sowie den Menschen übertragen. Als Vektoren fungieren dabei Flöhe, Tierläuse und Zecken, die im Fell der Waschbären leben. Die Eier des Spulwurms Baylisascaris procyonis werden mit dem Kot übertragen. Daher sollte man Waschbär-Kot möglichst verbrennen und bei der Beseitigung stets Handschuhe tragen. 

Fast alle Vogelarten stellen für den Waschbären eine potenzielle Beute dar, dies gilt sowohl für Boden- als auch für Höhlenbrüter. Als guter Kletterer erreicht der Waschbär auch Vögel, die in Bäumen nisten. Dennoch haben sich die in Deutschland in den 60er und 70er Jahren geäußerten Befürchtungen, der Waschbär werde erheblichen Schaden unter den heimischen Wildtieren, insbesondere den Vogelarten anrichten, nicht bewahrheitet. So ergab sich bei der Wiedereinbürgerung von Auerwild im Harz sowie im Hochsauerland kein erkennbar negativer Einfluss durch die Anwesenheit des Waschbären. Im Herbst kann der Waschbär in Mais- und Getreidefeldern durch das Fressen von Früchten und Niedertreten von Pflanzen einen gewissen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Allerdings kamen Rivest & Bergeron (1981) nach Untersuchungen in Agrar-Ökosystemen von Quebec zu dem Ergebnis, dass trotz sehr hoher Populationsdichten der Balgwert weit über den verursachten Feldschäden lag.

Was tun gegen Waschbären ?

Um zu vermeiden, dass sich Waschbären im Haus oder auf dem Grundstück ansiedeln ist vor allem das Füttern zu unterlassen, da dies den Waschbären anlockt und ihn die Scheu vor dem Menschen verlieren lässt. Auch darf der Waschbär kein Futter für Haustiere oder Vogelfutter erreichen. Als weitere prophylaktische Maßnahme ist das Absichern der Mülltonne zu nennen. Da Waschbären gerne Obst und Gemüse ernten, wird geraten sie mit Hilfe eines Elektrozauns fernzuhalten, wobei ein Draht ca. 20 cm über dem Boden gespannt werden sollte. Vor allem Dachböden werden von Procyon lotor gerne als Lager aufgesucht. Um ins Haus zu gelangen werden zersprungene Fenster, Risse im Mauerwerk oder offene Kamine benutzt. Solche potenziellen Einschlupflöcher sollten, wenn möglich, gesichert werden. 

In einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz besitzt der Waschbär keine Schonzeit und kann ganzjährig bejagt werden. Auch der Einsatz von Lebendfallen ist möglich. Diese Fallen sollten leicht zugänglich sein, da sie täglich kontrolliert werden müssen. Sie sollten entweder an Futterplätzen oder Wildwechseln der Waschbären aufgestellt werden. Da Waschbären fast alles fressen, können die unterschiedlichsten Köder verwendet werden. Sehr gut bewährt hat sich Katzenfutter, das Fischmehl enthält. Falls nach drei bis vier Tagen noch kein Waschbär in die Falle gegangen ist, sollten alternative Köder wie Hühnerköpfe, Zuckermais oder Erdnüsse ausprobiert werden. Stellt sich auch dann kein Erfolg ein, muss den Tieren zunächst die Angst vor der Falle genommen werden. Hierzu müssen die Türen arretiert werden, so dass sie nicht zufallen können. Außerdem muss Futter inner- und außerhalb der Falle verteilt werden. Erst wenn der Waschbär Futter aus der Falle aufnimmt, kann diese einsatzbereit gemacht werden. Individuen, die in Lebendfallen gefangen wurden, versuchen mitunter in das Haus zurückzukehren und können dabei beträchtlichen Schaden anrichten. Waschbären sollten nach dem Fang daher mindestens 5 km entfernt wieder freigelassen werden. Waschbären sind nachtaktiv und mögen keinen Lärm. Es ist daher möglich, sie von ihrem Schlafplatz durch starke Lampen und laute Musik zu vertreiben. Beide Maßnahmen müssen 24 Stunden pro Tag aufrechterhalten werden um den Waschbären eine Rückkehr zu verleiden. Wenn z. B. ein Dachboden auf diese Weise frei vom Waschbär gemacht werden konnte, so müssen zunächst mögliche Eingänge gründlich verschlossen werden. Darüber hinaus muss der Ort für die Tiere möglichst unattraktiv gemacht werden. Hierzu findet sich wiederholt die Angabe, mit Hunde-Urin getränkte Lappen auszulegen. Alle Vergrämungs-Maßnahmen sollten nach Möglichkeit auch nach dem Verschwinden von Procyon lotor noch für einige Tage fortgeführt werden um einen dauerhaften Erfolg zu sichern.

Literatur

  • Aliev, F. & Sanderson, G. L. (1966): Distribution and status of the raccoon in the Soviet Union. J. Wildlife Management 30: 497-502.
  • Barash, D. P. (1974): Neighbour recognition in two "solitary" carnivores: the raccoon and the red fox. Science 185: 794-796.
  • Cowan, W. F. (1973): Ecology and life history of the raccoon in the northern part of its range. Dissertation, Universität Nord Dakota, Fargo, 176 S.
  • Fritzell, E. K. (1978): Aspects of racoon (Procyon lotor) social organization. Can. J. Zool. 56: 260-271.
  • Gehrt, S. D. (1994): Raccoon social organization in South Texas. Dissertation, Universität von Missouri-Columbia: 174 S.
  • Gey, A. (1991): Der Waschbärspulwurm – eine Gefahr für Mensch und Tier in Deutschland? Hessenjäger 10 (12): 456 – 457.
  • Hadidian, J., Manski, D. A. & Riley, S. (1991): Daytime resting site selection in an urban raccoon population. In: Wildlife Conservation in Metropolitan Environments.Hrsg.: L. W. Adams & Leedy, D. L.. Columbia, U.S.A.: National Institute for Urban Wildlife: 39-45.
  • Hoffmann, C. O. & Gottschang, J. L. (1977): Number, distribution, and movements of a raccoon population in a suburban residental community. J. Mammalogy 58: 623-636.
  • Hohmann, U. (1998): Untersuchungen zur Raumnutzung des Waschbären (Procyon lotor) im Solling, Südniedersachsen, unter besonderer Berücksichtigung des Sozialverhaltens. Dissertation Universität Göttingen. 154 S.
  • Kaufmann, J. H. (1982): Raccoon and Allies. In: Wild Mammals of North America. Hrsg.: Chapman, J. A. & Feldhamer, G. A.. John Hopkins Univ. Press, Baltimore: 567-585.
  • Kitzmiller, A. B. (1934): Memory of raccoons. Am. J. Psychol. 46: 511-512.
  • Küchle, M., Knorr, H. L. J., Medenblik-Frysch, S., Weber, A., Bauer, C. & Naumann, G. O. H. (1993): Diffuse unilateral subacute neuroretinitis syndrome in a German most likely caused by the racoon roundworm, Baylisascaris procyonis. Graete`s Arch. Clin. Exp. Ophthalmol. 231: 48-51.
  • Lutz, W. (1981): Untersuchungen zur Nahrungsbiologie des Waschbären Procyon lotor (Linné, 1758) und zum möglichen Einfluss auf andere Tierarten in seinem Lebensraum. Dissertation an der Universität Heidelberg.
  • Lynch, G. M. (1971): Raccoons increasing in Manitoba. J. Mammalogy 52 (3): 621-622.
  • Ough, W. D. (1982): Scent marking by captive raccoons. J. Mammalogy 63 (2): 318-319.
  • Priewert, F. W. (1961): Record of an extensive movement by a raccoon. J. Mammal. 42: 113.
  • Rivest, P. & Bergeron, J. M. (1981): Density, food habits, and economic importance of raccoons in Quebec agrosystems. Can. J. Zool.59: 1755-1762.
  • Rosatte, R. C., Power, M. J. & MacInnes, C. D. (1991): Ecology of urban skunks, raccoons and foxes in metropolitan Toronto. In: Wildlife Conservation in Metropolitan Environments. Hrsg.: Adams, L. W. & Leedy, D. L.. Natl. Inst. for Urban Wildlife, 54-60.
  • Seidensticker, J., Johnsingh, A. J. T., Ross, R., Sanders, G. & Webbs, M. B. (1988): Raccoons and rabies in Appalachian Mountain Hollows. National Geographic Research 4 (3): 359-370.
  • Sharp, W. M. & Sharp, C. H. (1956): Nocturnal movements and behaviour of wild raccoons at a winter feeding station. J. Mammalogy 37: 170-176.
  • herfy, C. F. & Chapman, J. A (1980): Seasonal home range and habitat utilization of raccoons in Maryland. Carnivore 3 (3): 8-18.
  • Stubbe, M. (1993): Procyon lotor (Linné, 1758)-Waschbär. In: Handbuch der Säugetiere Europas. Band 5, Teil 1: Canidae, Ursidae, Procyonidae, Mustelidae 1 -
  • Stubbe, M. & Krapp, F. (Herausgeber). Aula-Verlag, Wiesbaden, 331-364.
  • Stuewer, F. W. (1943): Raccoons: Their habits and management in Michigan. Ecological Monographs 13: 203-257.
  • Voigt, S. (2000): Populationsökologische Untersuchung zum Waschbären in der Stadt Bad Karlshafen, Nordhessen. Diplomarbeit, Universität Göttingen.
  • Wachendörfer, G. (1979): Zur Epidemiologie und Bekämpfung der Tollwut in Mitteleuropa. Z. Säugetierk. 44: 36-46.

 

Aktuelle Seminartermine

Hier geht es zu den aktuellen Seminarterminen

- alle Seminare können auch als Vor-Ort-Schulungen gebucht werden -