06162-720 9797

Die Vogelgrippe - Hintergrundinformationen und Gefährdungspotenzial

Die Vogelgrippe - Hintergrundinformationen und Gefährdungspotenzial

Die Vogelgrippe ist eine hochinfektiöse Viruserkrankung, die von Vögeln auch auf den Menschen übertragen werden kann. Falls sich herausstellt, dass das Virus auch durch verwilderte Haustauben (Columba livia domestica) verbreitet werden kann, gehören Schädlingsbekämpfer durch den häufigen Kontakt zu Tauben bzw. Taubenkot zu einem besonders gefährdeten Personenkreis. Der nachfolgende Artikel, der im Jahr 2005 im DpS veröffentlicht wurde, informiert allgemein über die Vogelgrippe und fasst die in der Biostoffverordnung aufgelisteten Maßnahmen bei Arbeiten mit infizierten Tieren bzw. in kontaminierten Bereichen zusammen.

Die Vogelgrippe ist eine seit über 100 Jahren bekannte Erkrankung bei Vögeln, die weltweit verbreitet ist. Die Vogelgrippe wird vom Influenza-A-Virus verursacht, das in 16 Unterarten (sog. H-Subtypen) vorkommt. Alle sechzehn Subtypen der Vogelgrippe können Vögel infizieren, wobei die auch als "Geflügelpest" bekannten schweren Ausbrüche durch die mit H5 und H7 bezeichneten Subtypen verursacht werden. Die Viren kommen in Zugvögeln, insbesondere Enten und Gänsen, häufig vor, die davon aber nicht zwangsläufig erkranken müssen. Dagegen erwiesen sich vor allem Hühner und Puten als sehr anfällig für die Vogelgrippe. Auch Säugetiere wie Schweine, Pferde, Wild- und Hauskatzen und der Mensch können sich mit diesen Influenza-Viren infizieren und daran erkranken. Die beim Menschen auftretende, saisonale Influenza (die echte Grippe) wird durch die Viren Influenza A, Subtypen H1, H2 und H3 verursacht, außerdem durch den Influenzatyp B.

Die Vogelgrippe kann durch Zugvögel übertragen werden

Die im Jahr 2003 v. a. in den Niederlanden aufgetretene Vogelgrippe-Epidemie wurde durch das Influenza-A-Virus des Subtypus H7N7 hervorgerufen. Ende 2003 breitete sich eine Vogelgrippe-Epidemie des Influenza-A-Subtyps H5N1 in Asien aus, die zu einem Massensterben in Geflügelfarmen führte und zunächst China, Indonesien, Japan, Kambodscha, Laos, Südkorea, Thailand, Malaysia und Vietnam erfasste. Im Verlauf dieser Vogelgrippe-Epidemie starben bereits mehr als 140 Millionen Tiere an der Vogelgrippe, bzw. mussten gekeult werden. Im Mai 2005 wurde am Quinghai-See in Nordchina, einem Vogelschutzgebiet, erstmals beobachtet, dass eine große Zahl von Wildgänsen an Influenza-A-H5N1 verendete. Es stellte sich heraus, dass dieses Vogelsterben durch eine neue Variante dieses Subtyps verursacht wurde, die durch den Austausch von Genen entstanden ist (Reassortment). Im Laborexperiment zeigte sich der neue Virusstamm, der aus den Wildgänsen isoliert wurde, in Mäusen und Geflügel virulenter als frühere Stämme. Mittlerweile steht fest, dass die Anfang August 2005 in Sibirien und dem Ural ausgebrochene Geflügelpest durch den gleichen Stamm hervorgerufen wurde. Vermutlich haben Zugvögel das Virus eingeschleppt. Laut Einschätzung des für Tiergesundheit zuständigen Friedrich-Löffler-Instituts (Geschäftsbereich BMVEL) besteht das Risiko, dass infizierte Wildvögel aus Sibirien auch nach Europa ziehen oder das Virus über Geflügel eingeschleppt wird. Aufgrund der Möglichkeit einer Ansteckung durch infizierte Zugvögel, hatten beispielsweise die Niederlande und Deutschland Ende 2005 beschlossen, die Freilandhaltung von Geflügel für den Zeitraum des herbstlichen Vogelzuges zu untersagen.

Das Vogelgrippevirus ist auch für den Menschen gefährlich

In einigen Fällen ist das Virus von Geflügel auf den Menschen übertragen worden. Bisher kam es in China, Kambodscha, Indonesien, Thailand und Vietnam hauptsächlich durch Kontakt zu infiziertem Geflügel und deren Ausscheidungen zu einer Übertragung des Vogelgrippe-Virus auf den Menschen. In drei isolierten Fällen wurde das aviäre Influenza-A-H5N1-Virus von schwer Erkrankten auf Personen mit engem Kontakt übertragen (1997 in Hongkong, 2004 in Thailand und Vietnam). In keinem dieser Fälle kam es in der Folge zu Übertragungen der Vogelgrippe auf weitere Personen. Infolge des Ausbruchs der Vogelgrippe in Ost-Asien in den Jahren 2004 und 2005 ist bei insgesamt 112 Personen in Kambodscha, Indonesien, Thailand und Vietnam eine Infektion mit Influenza-A-H5N1 nachgewiesenen worden. Siebenundfünfzig der erkrankten Personen sind verstorben. Beim Menschen beginnt die Erkrankung etwa zwei bis fünf Tage nach der Ansteckung und verläuft ähnlich einer schweren Grippe mit hohem Fieber, Kopf- und Halsschmerzen, Husten, Gliederbeschwerden und Lungenentzündung. Etwa die Hälfte der an Vogelgrippe erkrankten Menschen leiden unter Durchfall. Übelkeit und Bauchschmerzen können hinzukommen. Als Komplikation tritt bei einer Ansteckung mit der Vogelgrippe häufig ein Lungenversagen auf.

Abbildung 1: Haustauben (Columba livia domestica) können mit dem Erreger der Vogelgrippe infiziert sein (Foto: S. Feiertag)

Abbildung 1: Haustauben (Columba livia domestica) können mit dem Erreger der Vogelgrippe infiziert sein (Foto: S. Feiertag)

Es besteht die Gefahr einer weltweiten Ausbreitung der Vogelgrippe

Bei einer gleichzeitigen Infektion mit Vogelgrippe und saisonaler Influenza ist es möglich, dass es im Körper eines befallenen Menschen zu einer Mischung ("Reassortment") und anschließender Veränderung des Erbmaterials der Viren ("Antigenshift") kommt. Dieser Vorgang könnte zur Folge haben, dass ein neues Influenzavirus auftritt, das einerseits eine Erkrankung beim Menschen zu verursachen vermag (hohe Pathogenität) und das andererseits relativ leicht von Mensch zu Mensch übertragen wird (hohe Infektiosität). Experten halten es in diesem Fall für möglich, dass die Gefahr einer weltweiten Ausbreitung der Vogelgrippe und damit einer so genannten Pandemie besteht. Im vergangenen Jahrhundert kam es 1918, 1957 und 1968 zu Influenza - Pandemien, der viele Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Ein Impfstoff gegen die Vogelgrippe steht nicht zur Verfügung

Die erhältlichen Influenzaimpfstoffe zur Vorbeugung der menschlichen Grippe schützen nicht vor aviärer Influenza (Influenza-A-H5N1-Infektion) bzw. vor einem neuen Pandemie Virus. Die Influenzaimpfung ist jedoch zu empfehlen, insbesondere bei Aufenthalt in Regionen mit Vorkommen von Vogelgrippe

  • um eine herkömmliche Influenza als Ursache von Fieber und Anlass zu unnötiger Sorge weitgehend zu verhindern,
  • um eine Grippeerkrankung zu vermeiden, die bei Aufenthalt z. B. in Asien oder bei Rückkehr nach Europa fälschlich für eine Vogelgrippe gehalten wird und zu seuchenhygienischen Maßnahmen führen könnte
  • um eine gleichzeitige Infektion mit menschlichen und tierischen Influenza-Viren und dadurch die Entwicklung eines neuen, potentiell pandemischen Virus zu verhindern.

An einem neuen, auch gegen Vogelgrippe wirksamen Impfstoff für den Menschen wird intensiv gearbeitet. Von den gegen Influenzaviren wirkenden Medikamenten sind nach bisherigen Untersuchungen nur die so genannten "Neuraminidaseinhibitoren" Oseltamivir und Zanamivir gegen das aktuelle Vogelgrippevirus H5N1 wirksam. Diese Erkenntnisse beruhen auf In-Vitro-Studien und Tierversuchen mit diesem Influenzavirus. Ausreichende klinische Erfahrungen bei H5N1 Vogelgrippe -Kranken liegen noch nicht vor. Experten gehen von der Wirksamkeit der Neuraminidasehemmer bei neuen pandemischen Influenzaviren aus, die wahrscheinlich aus dem Vogelgrippevirus hervorgehen werden. Diese Medikamente verleihen allerdings im Gegensatz zu einer Impfung keinen längerfristig dauernden Schutz. Generell können antivirale Medikamente prophylaktisch, d. h. zur Verhinderung einer Infektion oder Erkrankung, aber auch therapeutisch nach erfolgter Infektion mit der Vogelgrippe eingenommen werden, wobei jedoch immer die Angaben des Herstellers zu beachten sind. Bei einer therapeutischen Verwendung müssen die Medikamente so früh wie möglich nach Auftritt der ersten Symptome eingenommen werden.

 

Vogelgrippe und Biostoffverordnung

Anlässlich der Vogelgrippe-Epidemie, die im Jahr 2003 u. a. in den Niederlanden auftrat, empfahl der Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) spezielle Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch den Erreger der Geflügelpest (Influenza-A-H7N7). Diese Empfehlungen können auch für das aktuell grassierende Influenza-A-H5N5-Virus übernommen werden und gelten insbesondere auch für Beschäftigte auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung. Gemäß der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen (Biostoffverordnung) ist ein direkter Kontakt mit dem Erreger gegeben bei

  • Tätigkeiten mit erkrankten oder krankheitsverdächtigen Tieren
  • der Untersuchung, Behandlung und Pflege sowie beim Transport von Menschen, die als Verdachtsfall oder bestätigter Fall von Geflügelpest gelten
  • bei Tätigkeiten mit Kontakt zu Körperflüssigkeiten und -ausscheidungen der Tiere oder Menschen nach Nummer 1 und 2.

Infizierte Vögel scheiden das Virus in hohen Konzentrationen mit allen Körperausscheidungen (Kot, Speichel, Tränenflüssigkeit) aus, wobei insbesondere der Kot hoch infektiös ist. Nach derzeitigen Erkenntnissen kann die Übertragung auf den Menschen sowohl aerogen als auch durch Schmierinfektionen über die Schleimhäute erfolgen. Ein direkter Kontakt mit den infizierten Tieren, deren Ausscheidungen oder kontaminierten Produkten bzw. Materialien erscheint für eine Übertragung erforderlich zu sein. Eine indirekte Übertragung über die Luft ist bei starker Staubentwicklung ebenfalls möglich.

Die Infektionsgefährdung von Beschäftigten wird durch den auftretenden biologischen Arbeitsstoff (z. B. Risikogruppe, Übertragungswege, Infektionsdosis), die vorliegende Konzentration und die Art der Tätigkeit bestimmt. Tätigkeiten mit einem möglichen direkten Kontakt zu dem Erreger sind nicht gezielte Tätigkeiten im Sinne der Biostoffverordnung und können anfallen

  • in der Geflügelhaltung
  • in der Veterinärmedizin einschließlich der Sektion erkrankter oder krankheitsverdächtiger Tiere
  • bei der Tötung und Entsorgung von Geflügel
  • bei der Tierkörperbeseitigung
  • bei Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten in kontaminierten Bereichen

Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Schutzmaßnahmen zum Schutz vor Geflügelpest-Erregern einschließlich der persönlichen Schutzausrüstung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen und zu treffen. Es handelt sich hierbei um technische, Hygiene- und organisatorische Maßnahmen. Die Beschäftigten haben die erforderlichen Schutzmaßnahmen einzuhalten und Schutzvorrichtungen sowie die persönlichen Schutzausrüstungen bestimmungsgemäß zu verwenden.

Beim Umgang mit erkrankten oder krankheitsverdächtigen Tieren und kontaminierten Tiermaterialien (z. B. Körperteile, Körpergewebe, Blut, Gefieder und Ausscheidungen von Tieren einschließlich der benutzten Einstreu) sowie bei der Tötung erkrankter Tiere und bei Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten ist darauf zu achten, dass Staubentwicklung und andere Aerosolbildungen vermieden bzw. minimiert werden. Der Arbeitgeber hat zusätzlich zu den allgemeinen Hygieneanforderungen der TRBA darauf zu achten, dass die Beschäftigten vor dem Betreten von Räumen, die mit dem Vogelgrippe-Erreger infiziert sein könnten (z. B. Tierhaltungsbetriebe) spezielle Kleidung sowie persönliche Schutzausrüstung anlegen. Vor dem Verlassen des Bereiches ist die Schutzkleidung so abzulegen, in dicht abschließenden Behältern aufzubewahren und einer fachgerechten Reinigung/Desinfektion oder Entsorgung zuzuführen, dass es zu keiner Verschleppung von Krankheitserregern kommen kann. Zu der genannten speziellen Kleidung bzw. persönlichen Schutzausrüstung gehören:

  • körperbedeckende Arbeitskleidung (z. B. Overal, ggf. Einmalschutzanzüge)
  • eine die Haare vollständig abdeckende Kopfbedeckung
  • geeignete desinfizierbare Stiefel (z. B. Gummistiefel)
  • flüssigkeitsdichte, desinfizierbare Schutzhandschuhe
  • soweit eine Aerosolbildung nicht sicher verhindert werden kann vorzugsweise Atemschutzmaske TH2P oder TH3P mit Warneinrichtung, oder aber partikelfiltrierende Halbmaske FFP3, vorzugsweise mit Ausatemventil
  • Augenschutz z. B. in Form einer enganliegenden Schutzbrille mit Seitenschutz. Die Verwendung einer Atemschutzhaube schließt den Schutz der Augen mit ein.

Nach dem Ablegen der Arbeits/Schutzkleidung sind die Hände zu desinfizieren. Die speziellen, tierseuchenrechtlichen Anforderungen sind zu beachten.

Es ist aus Arbeitsschutzgründen nicht erforderlich, den Beschäftigten nach § 15 Abs. 4 Biostoffverordnung eine Influenza-Schutzimpfung mit dem aktuellen humanen Influenza-Impfstoff anzubieten, da diese Impfung keinen Schutz vor Infektionen durch Vogelgrippe-Viren bietet. Durch eine derartige Impfung können allerdings Doppelinfektionen mit humanen Influenzaviren und dem Erreger der Vogelgrippe verhindert werden, die zur Entstehung neuer humanpathogener Virusvarianten führen können. Demzufolge ist die Impfung aus Gründen des allgemeinen Bevölkerungsschutzes zu empfehlen. Der Arbeitgeber hat Beschäftigten mit möglichem direkten Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Tieren bzw. Menschen eine prophylaktische antivirale Therapie mit Neuraminidasehemmern zu ermöglichen.

Abbildung 2: Durch den Kontakt mit infizierten Haustauben (Columba livia domestica) könnten sich auch Menschen mit dem Vogelgrippevirus anstecken

Abbildung 2: Durch den Kontakt mit infizierten Haustauben (Columba livia domestica) könnten sich auch Menschen mit dem Vogelgrippevirus anstecken