Der vorliegende Artikel informiert über Aussehen, Nahrungsspektrum und Bekämpfung des Brotkäfers (Stegobium paniceum), der häufig als Vorratsschädling in Privathaushalten vorkommt. Dieser Beitrag ist ursprünglich in der März-Ausgabe 2013 des DpS (Fachzeitschrift für Schädlingsbekämpfung) veröffentlicht worden. Autoren: Dr. Martin Felke & Björn Kleinlogel
Unter den Einsendungen mit Vorratsschädlingen, die das Institut für Schädlingskunde von Privat- und Geschäftskunden erhält, nimmt der Brotkäfer (Stegobium paniceum) die unangefochtene Spitzenstellung ein. Das häufige Auftreten dieses Vorratsschädlings ist sicherlich auch damit zu erklären, dass diese Käferart in Bezug auf ihre Nahrungsansprüche alles andere als wählerisch ist. Wir wollen das Nahrungsspektrum des Brotkäfers vorstellen und auf ein paar Beispiele aus der Praxis eingehen.
Der Brotkäfer, der in die Familie der Nagekäfer (Anobiidae) gehört, ist weltweit verbreitet. Die Käfer selbst sind rostbraun gefärbt und werden bis zu drei Millimeter lang. Wie bei allen Nagekäfern ist der Kopf unter dem kapuzenförmigen Halsschild verborgen. Die letzten drei Fühlerglieder der 11-gliedrigen Antennen sind stark verlängert. Die weißlichen Larven von Stegobium paniceum haben einen gekrümmten Körperbau und besitzen eine gewisse Ähnlichkeit mit Engerlingen. Sie verpuppen sich in einem ovalen, aus Nahrungsteilchen gesponnenen Kokon. Die Weibchen des Brotkäfers legen ungefähr 100 Eier, aus denen sich im Laufe von zwei bis drei Monaten geschlechtsreife Tiere entwickeln. Der Brotkäfer gilt als Allesfresser, weil er ein großes Spektrum pflanzlicher und tierischer Produkte befällt. Den Schaden kann man an stecknadelkopfgroßen Löchern in den befallenen Produkten erkennen – dabei handelt es sich um die Ausflugsöffnungen der frisch geschlüpften Käfer. Außerdem werden Verpackungsmaterialien wie Papier oder Pappe zerfressen. Da der Brotkäfer gut fliegt, ist der Ursprungsort eines Befalls oft nur schwer auszumachen. Im Gegensatz zu vielen anderen, vorratsschädlichen Käferarten, gelangt der Brotkäfer auch durch offen stehende Fenster in das Haus. Der Brotkäfer ist als Hygieneschädling einzuschätzen – befallene Lebensmittel sollten nicht mehr verzehrt werden.
Abbildung 1: Der Brotkäfer (Stegobium paniceum) gehört zur Familie der Nagekäfer
Abbildung 2: Die letzten drei Fühlerglieder sind beim Brotkäfer (Stegobium paniceum) stark verlängert
Die erwachsenen Brotkäfer nehmen keine Nahrung mehr auf. Dennoch sind sie vergleichsweise langlebig. Unter Laborbedingungen lebten die Männchen bei einer durchschnittlichen Temperatur von 30° C und einer durchschnittlichen Luftfeuchtigkeit von 70 % im Schnitt 73,7 ± 7,06 und die Weibchen 72,5 ± 3,53 Tage (Brar & Chahal, 1980). Die Eientwicklung dauerte unter den beschriebenen Bedingungen neun bis zehn Tage (Durchschnitt: 9,2 ± 1,26 Tage). Die Larvalentwicklung betrug 49 bis 51 Tage und war nach durchschnittlich 50,1 ± 3,61 Tagen abgeschlossen. Die Puppenruhe dauerte zwischen sieben und acht Tage (Durchschnitt: 7,4 ± 1,54 Tage). Die Larve des Brotkäfers gilt als typischer Allesfresser und befällt ein breites Spektrum pflanzlicher und tierischer Produkte. Neben Getreide und Getreideerzeugnissen werden nahezu alle anderen trockenen Pflanzenerzeugnisse und Produkte tierischer Herkunft verzehrt. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Produkte, in denen sich Brotkäferlarven entwickeln können.
Produkte, in denen sich Brotkäferlarven entwickeln können
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Quelle
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Anis (Pimpinella anisum)
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Abdelghany et al. (2010); Jacob & Ushakumary (1991)
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Arabischer Gummibaum (Acacia arabica)
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Tawfik et al. (1984)
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Bockshornklee (Trigonella foenugraeci)
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Tawfik et al. (1984)
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Bohnen
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Wikipedia
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Brot
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz; Wikipedia
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Bucheinbände
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RP Stuttgart; Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Bücher
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Wikipedia
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Bücher inkl. Einband
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Umweltberatung Münster
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Chili (Capsicum sp.)
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Umweltberatung Münster; Tawfik et al. (1984)
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Dörrgemüse
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Umweltberatung Münster
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Drogen
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RP Stuttgart
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Eierteigwaren
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Erdnüsse
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Wikipedia
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Fenchel (Foeniculum vulgare)
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Tawfik et al. (1984)
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Fischmehl
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Wikipedia
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Fleischmehl
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Awadallah et al. (1990)
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Gebäck (auch Salzteig)
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Umweltberatung Münster
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Getrocknetes Gemüse
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Gewürze
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz; Umweltberatung Münster
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Hartes Brot
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Umweltberatung Münster
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Heilkräuter
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Umweltberatung Münster
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Hibiskus (Hibiscus sabdariffa)
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Abdelghany et al. (2010)
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Hirse
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Wikipedia
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Hülsenfrüchte
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Umweltberatung Münster
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Ingwer
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Jacob & Ushakumary (1991)
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Kaffeebohnen
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Wikipedia
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Kaffee-Ersatz
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Umweltberatung Münster
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Kakao
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz; Umweltberatung Münster
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Kalmus (Acorus calamus)
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Srivastava & Saxena (1975)
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Kamille (Matricaria chamomilla)
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Abdelghany et al. (2010)
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Kastanien
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Koriander (Coriandrum sativum)
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Abdelghany et al. (2010); Brar & Chahal (1980); Jacob & Ushakumary (1991); Tawfik et al. (1984)
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Kork
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Umweltberatung Münster
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Kräuter
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Kreuzkümmel (Cuminum cyninum)
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Jacob & Ushakumary (1991); Tawfik et al. (1984)
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Kümmel (Carum carvi)
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Tawfik et al. (1984)
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Kurkuma
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Jacob & Ushakumary (1991)
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Leder
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RP Stuttgart; Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz; Umweltberatung Münster
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Luzernenmehl
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Wikipedia
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Maismehl
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Wikipedia
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Mandeln
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Wikipedia
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Marjoran (Origanum majorana)
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Abdelghany et al. (2010)
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Medikamente
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Umweltberatung Münster
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Mehl
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Umweltberatung Münster; Wikipedia
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Mehlprodukte
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Milchpulver
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Wikipedia
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Moghat (Glossostemon bruguieri)
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Abdelghany et al. (2010)
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Nüsse
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz; Umweltberatung Münster
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Papier
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Umweltberatung Münster
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Paprika
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Wikipedia
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Reis
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Umweltberatung Münster
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Roter Pfeffer
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Wikipedia
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Safran (Crocus sativus)
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Tawfik et al. (1984)
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Salatsamen
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Finkenbrink (1934)
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Schokolade
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RP Stuttgart; Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz; Umweltberatung Münster; Wikipedia
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Schwarze Tollkirsche (Atropa belladonna)
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Tawfik et al. (1984)
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Spaghetti
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Wikipedia
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Suppenwürfel
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RP Stuttgart
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Tabak
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RP Stuttgart; Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Tapetenleim
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Umweltberatung Münster
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Tee
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Umweltberatung Münster; Wikipedia
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Teigwaren
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz; Umweltberatung Münster
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Tierfutter
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Umweltberatung Münster
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Tiernahrung
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RP Stuttgart; Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Tierpräparate
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Wikipedia
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Trockenblumen
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Wikipedia
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Trockenes Hundefutter
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Wikipedia
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Trockenes Katzenfutter
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Wikipedia
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Trockenfisch
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RP Stuttgart; Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Trockenpilze
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Umweltberatung Münster
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Vogelfutter
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Wikipedia
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Weizen
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Wikipedia
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Weizenkleie
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Wikipedia
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Weizenmehl
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Gunasekaran & Rajendran (2005)
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Zwieback
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Stadt Zürich – Umwelt- und Gesundheitsschutz
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Zwiebelsamen
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Finkenbrink (1934)
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Abbildung 3: Häufig werden Nudeln und andere, trockene Vorräte vom Brotkäfer (Stegobium paniceum) befallen
Abbildung 4: Brotkäferbefall (Stegobium paniceum) in einer Dose mit Fischfutter
Ein Privatkunde fand regelmäßig kleine, braune Käfer in seinem Büro und vermutete einen Befall mit dem Braunen Pelzkäfer. Der Raum befand sich nach Aussage des Kunden unter dem Dach und war komplett gefliest. Er gab an, dass die Käfer tagsüber nicht zu sehen waren, sondern immer erst in den Abendstunden aktiv wurden. Zu dieser Zeit entdeckte er die Käfer immer am hellsten Fenster. Nachdem er die Diagnose „Brotkäferbefall“ erhalten hatte, reagierte der Kunde zunächst mit Unverständnis. Er zweifelte das Bestimmungsergebnis an und betonte, dass in dem betreffenden Raum niemals Lebensmittel aufbewahrt wurden. Später fand er dann den Befallsherd – eine Dose mit altem Fischfutter, in der sich die Käfer über einen längeren Zeitraum unbemerkt vermehren konnten.
Das Basteln mit Salzteig ist zwar heute etwas aus der Mode gekommen, aber viele Menschen stellen daraus immer noch zum Beispiel Weihnachtsschmuck oder ähnliches her. Salzteig besteht aus Mehl und Salz zu gleichen Teilen. Diese Mischung wird in Wasser gelöst und kann dann wie Plätzchenteig ausgerollt werden. Anschließend lassen sich zum Beispiel mit Plätzchenformen Motive aus dem Teig ausstechen. Nach dem Backen ist Salzteig praktisch unbegrenzt haltbar. Für den Menschen ist Salzteig aufgrund des hohen Salzanteils ungenießbar. Brotkäfer können sich hierin allerdings sehr wohl entwickeln, wie eine Privatkundin feststellen musste, die dem Institut für Schädlingskunde eine Probe mit Brotkäfern zur Bestimmung einschickte. Die Dame konnte sich nicht erklären, wo sich die Käfer entwickelten, da sie sämtliche Vorräte auf Befall untersucht und dort nichts gefunden hatte. Nachdem sie den Hinweis erhalten hatte, dass sich Brotkäfer zum Beispiel auch in Salzteig-Gebäck entwickeln können, wurde sie dann aber sehr schnell fündig. Wie sie uns später mitteilte, hatte sie vor Jahren beim Einzug in eine neue Wohnung einen Glücksbringer aus Salzteig-Gebäck geschenkt bekommen. In diesem Stück Salzteig-Gebäck, das jahrelang unbeachtet in einer Schublade lag, hatten sich die Käfer vermehrt.
Bei einer weiteren Privatkundin, die ebenfalls alle Vorräte erfolglos auf Brotkäfer abgesucht hatte, erwies sich der Hinweis auf eine Entwicklung der Käfer in Körnerkissen als Volltreffer. Ein Körnerkissen, das über Jahre hinweg unbenutzt in einem Schrank gelegen hatte, wies einen starken Brotkäferbefall auf.
Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt wird seit Jahren grundlegend saniert. Hierzu wurden die umfangreichen Sammlungen des Naturkundemuseums in industrielle Lagerhallen ausgelagert. Alle Exponate wurden in Kisten verpackt und in einer rund 500 Quadratmeter großen Lagerhalle bis zu einer Höhe von acht Metern aufeinandergestapelt. Das Gebäude wird zwar beheizt, ist aber als Lagerhalle aus den 1970er Jahren natürlich nicht Insektendicht. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass Ausstellungsstücke bereits vor der Einlagerung mit Schädlingen befallen waren und sich diese in den Kisten unbemerkt weiter vermehren können. Aus personellen und finanziellen Gründen können die Kisten weder umgelagert, noch regelmäßig geöffnet und inspiziert werden. Die Kisten lagern seit mehreren Jahren in der Lagerhalle.
Im Sommer 2011 wurden an den Fenstern der Lagerhalle ungefähr 100 Brotkäfer gefunden. Die Firma Kleinlogel GmbH sollte nun ermitteln woher die Käfer kamen. Da die Brotkäfer offensichtlich zum Licht hin geflogen waren, wurden in der Halle 20 UV-Lichtfallen installiert. Nach Auswertung der Lichtfallenfänge konnte der Herkunftsort der Brotkäfer auf ungefähr 30 Kisten eingegrenzt werden. Diese wurden mit Hilfe eines Gabelstaplers aus dem Hochregallager geholt und geöffnet. In einer Kiste wurde ein Massenbefall mit Brotkäfern gefunden. In dieser Kiste waren Tierpräparate untergebracht. Die Kiste wurde daraufhin komplett tiefgefroren und in einer anderen Lagerhalle unter regelmäßiger Beobachtung eingelagert.
Im Sommer 2011 wurde die Firma Kleinlogel GmbH in Pfungstadt bei Darmstadt wegen eines starken Brotkäfer-Befalls in ein Privathaus gerufen. Die Brotkäfer kamen zu Hunderten aus dem Boden hinter der Fußbodenleiste hervor. Das Gebäude war im Jahr 1905 erbaut worden. Zwischen den Bodenbalken befanden sich Holzstaketen, auf denen ein Stroh- Lehmgemisch verarbeitet wurde. Dieses Stroh- Lehmgemisch stellte sich als die Befallsquelle heraus. Ähnlich wie bei einer Kugelkäfer- oder Messingkäferbekämpfung wurden die Hohlräume im Boden mit Silikatstaub behandelt. Danach wurde ein dicht schließender Bodenbelag (Laminat) verlegt, der seitlich unter der Fußbodenleiste noch mit Silikon abgedichtet wurde.
Gekämmter Nagekäfer (Ptilinus pectinicornis)
Getreidekapuziner (Rhizopertha dominica)
Großer Kornbohrer (Prostephanus truncatus)
Gewöhnlicher Nagekäfer, Totenuhr (Anobium punctatum)
Tabakkäfer (Lasioderma serricorne)