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Die Stadttaube und das Recht

Dieser Teil der Serie über Straßentauben beschäftigt sich mit der rechtlichen Stellung von Straßentauben. Wir möchten die aktuelle Gesetzeslage vorstellen und darüber informieren, was im Vorfeld einer Taubenvergrämung bzw. Taubenbekämpfung aus rechtlicher Sicht zu beachten ist.

Sind Tauben Gesundheitsschädlinge?

Nach landläufiger Meinung gelten Straßentauben als „Ratten der Lüfte“. Allerdings hat die Straßentaube rechtlich gesehen einen anderen Status als z. B. die Wanderratte, was bei Abwehr- und Bekämpfungsaktionen zu berücksichtigen ist. Gemäß § 2 Punkt 12 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wird ein Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können, als Gesundheitsschädling definiert. Nähere Angaben werden nicht gemacht, so dass die Definition sehr allgemein formuliert ist. Unter anderem deshalb hat sich das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), das mittlerweile im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) aufgegangen ist, mehrmals dazu geäußert, ob Straßentauben als Gesundheitsschädlinge im Sinne des IfSG gelten und unter welchen Voraussetzungen Tauben bekämpft werden dürfen. In seiner Stellungnahme vom 26.2.1998 kommt das BgVV zu dem Schluss, dass verwilderte Haustauben nicht als obligatorische Gesundheitsschädlinge gelten und somit einen anderen rechtlichen Status als Wanderratten, Hausratten und Hausmäuse haben. § 17 Absatz 5 IfSG räumt allerdings auch den Landesregierungen das Recht ein „zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Kopfläusen und Krätzemilben erlassen“. Daher wird die verwilderte Haustaube in den Landesverfassungen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt als Gesundheitsschädling definiert.

Maßnahmen gegen Gesundheitsschädlinge können laut Einschätzung des BgVV erst dann ergriffen werden, wenn für den Menschen eine konkrete Gefahrenlage besteht, wie sie insbesondere in § 17 Abs. 2 IfSG dargelegt ist. Hier heißt es wörtlich: „Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.“ Dies bedeutet laut Auffassung des BgVV, dass Straßentauben nur dann als Gesundheitsschädlinge eingestuft werden dürfen wenn in einem konkreten Fall der begründete Verdacht besteht, dass sie humanpathogene Krankheitserreger wie den Erreger der Ornithose oder Parasiten wie die Taubenzecke auf Menschen übertragen können. In seinem Gutachten vom 26.2.1998 führt das BgVV mehrere Beispiele auf, nach denen Straßentauben als Gesundheitsschädlinge gelten müssen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn:

- die Tiere in Kontakt mit Lebensmitteln kommen oder diese durch ihren Kot verschmutzen (z. B. bei Marktständen mit offenen Auslagen, Straßencafés oder Freiluftrestaurants, die regelmäßig von den Tieren besucht werden)


- zahlreiche Tauben unkontrolliert in unmittelbarer Nachbarschaft des Menschen brüten, wie z. B. auf Dachböden, und hier große Mengen an Kot absetzen, so dass die Gesundheit der Hausbewohner durch Pathogene und Parasiten der Tauben beeinträchtigt werden kann


- Straßentauben sich in Bereichen aufhalten, die aufgrund von Hygienevorschriften von Tieren freizuhalten sind (z. B. Lebensmittelbetriebe). So verweist die Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) darauf, dass Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in Verkehr gebracht werden dürfen, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt sind. Eine nachteilige Beeinflussung von Lebensmitteln im Sinne der Verordnung kann z. B. die Verunreinigung von Lebensmitteln mit Mikroorganismen oder tierischen Ausscheidungen sein.

Abbildung 1: Sind Straßentauben (Columba livia domestica) rechtlich gesehen Gesundheitsschädlinge?

Abbildung 1: Sind Straßentauben (Columba livia domestica) rechtlich gesehen Gesundheitsschädlinge?

Abbildung 2: Beim Taubenfüttern können Straßentauben (Columba livia domestica) humanpathogene Krankheitserreger auf den Menschen übertragen (Foto: S. Feiertag)

Abbildung 2: Beim Taubenfüttern können Straßentauben (Columba livia domestica) humanpathogene Krankheitserreger auf den Menschen übertragen (Foto: S. Feiertag)

Taubenbekämpfung – was ist erlaubt?

Bekämpfungsmaßnahmen gegen Straßentauben können aufgrund der Rechtslage nur durchgeführt werden, wenn hierfür ein vernünftiger Grund nach § 1 Tierschutzgesetz vorliegt. Im Tierschutzgesetz wird nicht definiert was ein vernünftiger Grund ist, so dass dieser Terminus von Juristen als offener Rechtsbegriff bezeichnet wird. Als „vernünftig" im Sinne des Tierschutzgesetzes gelten daher z. B. Gründe, die sich aus anderen Rechtsvorschriften, wie dem Fleischhygienegesetz oder dem Bundesjagdgesetz ableiten lassen. Als vernünftige Gründe zum Töten eines Wirbeltieres nach dem Tierschutzgesetz gelten daher z. B. Nahrungserwerb des Menschen, fachgerechte Schädlingsbekämpfung, waidgerechte Jagd und Euthanasie erkrankter Tiere. So wird beispielsweise das fachgerechte Schlachten eines Rindes oder Schweins für den menschlichen Verzehr als vernünftiger Grund angesehen. Kein vernünftiger Grund ist es dagegen ein Tier aus Abneigung, Bequemlichkeit, Langeweile, zum Abreagieren einer seelischen Spannung oder ähnliches zu töten. Dies bedeutet, dass jeder Schädlingsbekämpfer bei Taubentötungsaktionen den vernünftigen Grund zur Rechtfertigung der Maßnahme im Servicebericht dokumentieren muss. Nur so kann bei juristischen Auseinandersetzungen nachgewiesen werden, dass der vernünftige Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes berücksichtigt wurde.
Das BgVV beruft sich in seiner Stellungnahme vom 20.7.2001 zur Klärung der Frage, was im Rahmen von Taubenbekämpfungsaktionen erlaubt ist, auf § 13 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) in dem es wörtlich heißt: „Es ist verboten, zum Fangen, Fernhalten oder Verscheuchen von Wirbeltieren Vorrichtungen oder Stoffe anzuwenden, wenn damit die Gefahr vermeidbarer Schmerzen, Leiden oder Schäden für Wirbeltiere verbunden ist“. Daraus folgert das BgVV, dass bei der Anordnung von Taubenbekämpfungsmaßnahmen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist. Generell sind nach Auffassung der Behörde Maßnahmen wie der Entzug von Nistmöglichkeiten oder die Vertreibung von Futter- und Ruheplätzen gegenüber Tötungsmaßnahmen zu bevorzugen. Das Abtöten von Tauben sollte lediglich als „letztes Mittel in Notsituationen (Sanierung von Risikobereichen, z. B. Betriebsräumen von Lebensmittelbetrieben) in Betracht kommen.“ Besonders problematisch bei Tötungsaktionen ist aus Sicht des BgVV, dass bei derartigen Maßnahmen unweigerlich in Kauf genommen werden muss, dass Nestlinge verhungern und somit erheblich leiden müssen. Sofern ein Aufspüren und tierschutzgerechtes Töten der Jungvögel nicht gewährleistet ist ließe sich somit eine Tötungsaktion nur in besonders begründeten Fällen rechtfertigen – insbesondere bei Gefahr im Verzuge.

Taubenabwehr – was ist zu beachten?

Taubenabwehrsysteme müssen den Anforderungen des Tierschutzrechts genügen und tierschutzgerecht installiert werden. Auch hier gilt wieder § 13 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG). Daher ist der Einsatz von Taubenabwehrsystemen nicht erlaubt, durch die Straßentauben verletzt werden können. Das BgVV gibt in seiner Publikation „Tierschutzaspekte bei der Installierung von Taubenabwehrsystemen“ den Grundsatz aus, dass die Installation von Taubenabwehrsystemen nicht zu vermeidbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden bei Wirbeltieren führen darf. Vor dem Einsatz von Taubenabwehrsystemen ist daher abzuklären, ob durch das System selbst oder aber Art und Zeitpunkt seiner Installation negative Auswirkungen auf Straßentauben oder andere Tierarten wie Kleinvögel, Greifvögel und Kleinsäuger wie z. B. Fledermäuse zu befürchten sind. Hierzu sind folgende Punkte wichtig:

Besteht nach Art des Systems die Gefahr:

  • dass sich Tiere am Taubenabwehrsystem verletzen können? (z. B. Verletzungsgefahr durch scharfe, starre Spikes oder beim Verfangen in Netzen)
  • dass das Taubenabwehrsystem zu Schäden oder Spätschäden führt? (z. B. Beeinträchtigung der Wärmeregulation oder der Flugfähigkeit infolge Verklebung des Gefieders nach Kontakt mit einer Vergrämungspaste)
  • dass das Taubenabwehrsystem zu vermeidbaren Schmerzen oder übermäßigen Schreckreaktionen führt? (z. B. unverhältnismäßig hohe Ströme oder überlange Impulsdauern bei Elektroabwehrsystemen).

In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, ob Tiere die Möglichkeit haben, Abwehrsysteme als solche zu erkennen und den Kontakt mit ihnen zu vermeiden.

Besteht nach Art oder Zeitpunkt der Anbringung des Systems die Gefahr, dass:

  • Elterntiere von ihren noch versorgungsbedürftigen Jungen abgeschnitten werden?
  • Tiere durch das Anbringen der Absperrung gefangen werden, bzw. Tiere, welche die Abwehrvorrichtung überwunden haben, den Rückweg nicht finden oder die Abwehrvorrichtung in umgekehrter Richtung nicht überwinden können?

Nur Systeme, bei denen solche negativen Auswirkungen verneint werden können, entsprechen laut Stellungnahme des BgVV aus tierschutzfachlicher und rechtlicher Sicht den Anforderungen. Der Schweizer Taubenexperte Prof. Haag-Wackernagel nennt einige konkrete Beispiele von Taubenabwehrsystemen, die aus tierschutzrechtlichen Gründen keine Verwendung finden dürfen. Dies sind:

  • Abwehrsysteme mit scharfen Nadeln, Spitzen oder Kanten
  • Elektroschocksysteme, die mit hohen Spannungen (über 7.000 Volt bei 0.1 A und 10 KW) oder langen Impulsdauern betrieben werden
  • Vergrämungspasten (Kontaktrepellents) die das Gefieder von Vögeln dauerhaft verschmutzen bzw. verkleben
  • Reizende und ätzende Substanzen, die Augen und Schleimhäute der Tiere schädigen

Taubentötung – unter Auflagen möglich

Wie bereits erwähnt kommt für das BgVV das Abtöten von Straßentauben nur in Betracht, wenn Gefahr in Verzug ist und somit ein vernünftiger Grund nach § 1 Tierschutzgesetz vorliegt. Im Seuchenfall müssen derartige Tötungsmaßnahmen von der zuständigen Behörde angeordnet werden. Die Durchführung der Maßnahmen kann auch einem Schädlingsbekämpfungsunternehmen übertragen werden. Hierbei ist zu beachten, dass Schädlingsbekämpfer, sofern sie berufs- oder gewerbsmäßig regelmäßig Wirbeltiere betäuben oder töten, nach § 4 Abs. 1a TierSchG gegenüber der zuständigen Behörde einen Sachkundenachweis zu erbringen haben. Darüber hinaus benötigen gewerbsmäßig Wirbeltiere bekämpfende Schädlingsbekämpfer nach § 11 Abs. 1 Nr. 3e TierSchG für diese Tätigkeit eine Erlaubnis der zuständigen Behörde. Mit der Ausübung der Tätigkeit darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde ist gehalten, Personen, welche diese Erlaubnis nicht besitzen, die Ausübung der Tätigkeit zu untersagen (§ 11 Abs. 3 TierSchG). Die Erteilung der Erlaubnis setzt voraus, dass der Sachkundenachweis erbracht wird (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG), die für die Tätigkeit verantwortliche Person die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 TierSchG) und die zur Verwendung vorgesehenen Vorrichtungen, Stoffe oder Zubereitungen für eine tierschutzgerechte Bekämpfung der betroffenen Wirbeltierart geeignet sind, sofern diese nicht nach anderen Vorschriften zu diesem Zweck zugelassen oder vorgeschrieben sind (§ 11 Abs. 2 Nr. 4 TierSchG).

Taubenbekämpfung - es gilt die Einzelfallregelung

Da in Deutschland derzeit keine Mittel oder Verfahren zur behördlich angeordneten Bekämpfung von Tauben zugelassen sind, ist die Eignung der zur Bekämpfung von Tauben verwendeten Mittel und Verfahren im konkreten Einzelfall nachzuweisen. Dabei ging das BgVV in seiner Stellungnahme vom 20.7.2001 davon aus, dass die gemäß der Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) zur Schlachtung und Tötung von Kleingeflügel zulässigen Verfahren sich prinzipiell auch zur Tötung gefangener Wildtauben eignen, obwohl zulässige Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 TierSchlV vom Anwendungsbereich der Verordnung ausdrücklich ausgenommen sind. Zu diesen Verfahren gehört die Tötung durch Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt (Anlage 3 Teil 1 TierSchlV), durch Einbringen in eine Atmosphäre mit 80 Volumenprozent Kohlendioxid (Anl. 3 Teil II Nr. 4.9 TierSchlV), durch Kopfschlag mit anschließender Entblutung (Anlage 3 Teil II Nr. 5 TierSchlV) oder die Dekapitation, d. h. das schnelle und vollständige Abtrennen des Kopfes vom Rumpf (§ 13 Abs. 6 Satz 2 und 3 TierSchlV).

Abbildung 3: Die Nestlinge von Straßentauben (Columba livia domestica) müssen zwangsläufig verhungern, wenn ihre Eltern getötet wurden

Abbildung 3: Die Nestlinge von Straßentauben (Columba livia domestica) müssen zwangsläufig verhungern, wenn ihre Eltern getötet wurden

Abbildung 4: Straßentauben (Columba livia domestica) werden häufig in Parks von Passanten gefüttert (Foto: S. Feiertag)

Abbildung 4: Straßentauben (Columba livia domestica) werden häufig in Parks von Passanten gefüttert (Foto: S. Feiertag)

Anmerkung: Dieser Artikel erschien im Original in der Ausgabe Oktober 2010 des DpS (Der praktische Schädlingsbekämpfer)