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Bekämpfung der Kippleibameise (Crematogaster scutellaris) mit verschiedenen Fraßködern

Die im Mittelmeerraum sehr häufige Ameisenart Crematogaster scutellaris trat in Deutschland bislang nur ganz vereinzelt als Schädling in Gebäuden auf. Hier schildern wir einen Fall aus dem südhessischen Darmstadt, wo sich eine sehr große Kolonie dieser Ameisen in einem Wohnhaus angesiedelt hatte. Zunächst wurden mehrere gelförmige Fraßköder auf ihre Attraktivität bzw. Akzeptanz getestet. Eines der getesteten Produkte (Maxforce® Quantum) erwies sich dabei als wesentlich attraktiver als die übrigen Fraßköder. Demzufolge wurde dieses Produkt auch für die eigentliche Bekämpfung eingesetzt. Bereits drei Tage nach der Bekämpfungsaktion wurden von den Kunden keine Ameisen mehr bemerkt. Da auch vier Wochen nach der Maßnahme bei einer Nachkontrolle keine Arbeiterinnen von Crematogaster scutellaris mehr gefunden wurden ist davon auszugehen, dass die Kolonie durch den Einsatz des Fraßköders komplett vernichtet werden konnte.

Crematogaster scutellaris – eine unverwechselbare Ameisenart aus dem Mittelmeerraum

Die Kippleibameise (Crematogaster scutellaris) gehört aufgrund ihrer auffallenden Körperfärbung und dem ganz charakteristischen Abwehrverhalten bei Bedrohung zu den unverwechselbaren Ameisenarten. Der Kopf der Ameisen ist kräftig gelbrot gefärbt. Der mittlere Körperabschnitt ist im vorderen Abschnitt rotbraun und hinten dunkelbraun gefärbt. Der Hinterleib der Tiere ist herzförmig und hat eine schwarze Färbung. Die 11-gliedrigen Antennen enden mit einer dreigliedrigen Fühlerkeule. Zur Spitze hin werden die Antennenglieder immer dunkler. Die Beine sind dunkelbraun gefärbt. Crematogaster scutellaris gehört wie auch die Pharaoameise (Monomorium pharaonis) in die Unterfamilie der Knotenameisen, da der mittlere Körperabschnitt durch zwei sog. Stielchenglieder mit dem Hinterleib verbunden ist. Die Arbeiterinnen von Crematogaster scutellaris erreichen eine Körperlänge von 3,5 bis 5,5 Millimeter. Die Weibchen werden mit acht bis zehn Millimetern deutlich größer als die Arbeiterinnen. Die Männchen werden vier bis fünf Millimeter lang. Im Deutschen wird die Art auch Kippleibameise genannt. Dieser Name bezieht sich auf das ganz charakteristische Abwehrverhalten der Arbeiterinnen. Bei einer Bedrohung wird der Hinterleib so ähnlich wie bei einem Skorpion nach vorne geklappt. Dabei tritt aus der Stachelspitze ein Wehrsekret aus, mit dem die Ameisen ihre Gegner beschmieren können (Seifert, 1996).

Abbildung 1: Crematogaster scutellaris - die Kippleibameise - ist eine sehr auffällig gefärbte Ameisenart

Abbildung 1: Crematogaster scutellaris - die Kippleibameise - ist eine sehr auffällig gefärbte Ameisenart

Abbildung 2: Crematogaster scutellaris wurde in Deutschland bisher nur ganz vereinzelt gefunden

Abbildung 2: Crematogaster scutellaris wurde in Deutschland bisher nur ganz vereinzelt gefunden

Im Mittelmeergebiet häufig – bei uns ganz selten

Crematogaster scutellaris ist im gesamten Mittelmeergebiet, sowie im Kaukasus verbreitet und kommt von Nordafrika bis nach Südtirol und in das Tessin hinein vor. Vereinzelt wurden Kolonien dieser Ameisenart auch schon in England (Collingwood, 1979), den Niederlanden (Boer & Vierbergen, 2008), Deutschland (Stitz, 1939; Sellenschlo, 1993; Heller, 2004) und Österreich (Heller, 2004) gefunden. Heller (2004) vermutet, dass Funde von Crematogaster scutellaris in Deutschland immer auf einer Einschleppung von kleinen Kolonien beruhen. Seifert (1996) berichtet, dass diese Ameisenart im Rheinland regelmäßig mit Pfirsich-, Kork- und Holzlieferungen eingeschleppt wird, in Deutschland allerdings bislang noch nicht heimisch geworden ist. In der Roten Liste der gefährdeten Tiere Deutschlands taucht Crematogaster scutellaris als eine Ameisenart mit geographischer Restriktion auf (Seifert, 1998). Heller (2004) berichtet von einer größeren Kolonie dieser Ameisenart, die sich im Dachstuhl eines Hauses in Laudenbach an der Bergstraße angesiedelt hatte. Aufgrund von Beobachtungen der Hausbewohner, sowie der Größe dieser Ameisenkolonie konnte man darauf schließen, dass die Tiere bereits seit rund vier bis fünf Jahren in dem Gebäude lebten. Diese Beobachtung zeigt, dass eine südeuropäische Ameisenart wie Crematogaster scutellaris auch in Mitteleuropa in klimatisch besonders begünstigten Regionen stabile und langjährige Kolonien ausbilden kann. Laut Soulie (1955) liegt das Temperaturoptimum der Art bei 25°C. Bei Temperaturen zwischen 11°C und 40°C verlassen die Arbeiterinnen das Nest zur Nahrungssuche. Bei der von Heller (2004) beschriebenen Kolonie aus Laudenbach an der Bergstraße waren die Ameisen bei Temperaturen ab ca. 10°C aktiv. Bei entsprechend milder Witterung konnten die Tiere hier von Februar bis November im Freiland beobachtet werden.

Die Nahrungspalette von Crematogaster scutellaris ist recht vielseitig. Regelmäßig sammeln die Arbeiterinnen Honigtau von Blattläusen und anderen Pflanzensaftsaugern (Stitz, 1939; Heller, 2004). Daneben werden auch kleinere und größere Gliedertiere wie Blattläuse oder Schmetterlinge erbeutet (Sellenschlo, 2002; Heller, 2004). Sogar kleinere, tote Wirbeltiere werden als Nahrungsquelle genutzt (Heller, 2004). Crematogaster scutellaris nistet laut Seifert (1996) in Südeuropa meist in Bäumen und Totholz wo die Kolonien stabile Kartonnester errichten, wie man sie zum Beispiel auch von der Zweifarbigen Wegameise (Lasius emarginatus) kennt. In die Rinde von Korkeichen nagen die Tiere ebenfalls häufig ihre Gänge und Brutkammern (Bernard, 1967). Stitz (1939) berichtet, dass die Art in den Mittelmeerländern ihre Nester auch im Dachgebälk von Gebäuden anlegt. Laut Sellenschlo (1993) werden zum Nestbau Hohlräume in Zweigen oder Holz, unter Rinde oder zwischen Mauerwerk genutzt. Dort wo sich eine Kolonie von Crematogaster scutellaris in verbautem Holz, wie zum Beispiel im Dachstuhl eines Hauses, angesiedelt hat müssen die Ameisen als Materialschädlinge bezeichnet werden. In der Schweiz liegt die Schwärmzeit von Crematogaster scutellaris laut Kutter (1977) in den Monaten September und Oktober.

Abbildung 3: Die Kippleibameisen hatten ihr Nest im Dachbereich des Flachdach-Hauses angelegt

Abbildung 3: Die Kippleibameisen hatten ihr Nest im Dachbereich des Flachdach-Hauses angelegt

Abbildung 4: Zunächst liefen die Kippleibameisen-Arbeiterinnen vom Dach bis zur Terrasse im Erdgeschoß

Abbildung 4: Zunächst liefen die Kippleibameisen-Arbeiterinnen vom Dach bis zur Terrasse im Erdgeschoß

Eine Kolonie von Crematogaster scutellaris in einem Darmstädter Wohnhaus

Ende Juni 2012 erhielt die Firma Kleinlogel GmbH Schädlingsbekämpfung den Auftrag Ameisen zu bekämpfen, die in großer Zahl an der Fassade eines Darmstädter Reihenhauses entlang liefen. Erst bei der Ortsbesichtigung stellte sich dann heraus, dass es sich bei den Ameisen nicht um die Schwarzgraue Wegameise (Lasius niger) oder eine andere Wegameisenart handelte, sondern um Crematogaster scutellaris. Ihr Nest hatten die Tiere offensichtlich im Dachbereich des Hauses angelegt. Hier verschwanden die Arbeiterinnen unter einer Metallverkleidung des Flachdaches (siehe Abbildung 3). Da das Dach nicht geöffnet wurde, bleibt unklar in welchem Material sich die Ameisen eingenistet hatten. Wie lange die Tiere bereits in dem Haus vorkamen ist unklar. Zu diesem Punkt konnten die Hausbewohner keine Angaben machen. Aufgrund der Vielzahl der Arbeiterinnen war allerdings davon auszugehen, dass es sich um eine mehrjährige Kolonie handeln musste. Von ihrem Nest legten die Arbeiterinnen eine Entfernung von rund 30 Meter zurück um an ihre Nahrungsquellen zu gelangen. Zunächst liefen die Arbeiterinnen vom Dach des Hauses bis zur Terrasse im Erdgeschoß (siehe Abbildung 4). Von hier aus führte die Ameisenstraße dann in einem 90°-Winkel nach links unterhalb der Türen des Nachbarhauses weiter. Schließlich überquerten die Ameisen einen gepflasterten Weg links des Reihenendhauses und verschwanden in den dort angepflanzten Hecken (siehe Abbildung 5). Es ist anzunehmen, dass die Tiere hier Kolonien von Blattläusen besuchten um Honigtau aufzunehmen.

 

Abbildung 5: Der weitere Weg der Ameisenstraße führte zunächst entlang der Terrasse, dann über einen gepflasterten Weg und schließlich in die dort befindlichen Hecken

Abbildung 5: Der weitere Weg der Ameisenstraße führte zunächst entlang der Terrasse, dann über einen gepflasterten Weg und schließlich in die dort befindlichen Hecken

Abbildung 6: Der Fraßköder Maxforce® Quantum wurde von den Crematogaster scutellaris-Arbeiterinnen sehr gut angenommen

Abbildung 6: Der Fraßköder Maxforce® Quantum wurde von den Crematogaster scutellaris-Arbeiterinnen sehr gut angenommen

Fünf verschiedene Fraßköder im Test

Um herauszufinden welcher Fraßköder für die Ameisen besonders attraktiv ist, wurde jeweils ein einzelner Tropfen der verschiedenen Produkte in möglichst großen Abständen entlang der Ameisenstraße appliziert. Anschließend wurde die Reaktion der Arbeiterinnen auf die verschiedenen Köder für rund 30 Minuten protokolliert.

Probe 1: Maxforce® Quantum (Wirkstoff: Imidacloprid – 0,3 g/kg)

Der Köder wurde sofort von den Arbeiterinnen angenommen. Bereits nach wenigen Minuten versammelten sich zahlreiche Tiere am Köder. Einzelne Ameisen fraßen bis zu einer Minute von dem Ködergel (siehe Abbildung 6). Auf der Abbildung ist gut zu erkennen, dass bei einigen Ameisen der Hinterleib prall mit Nahrung gefüllt ist.

Probe 2: Lasa. Gel TM 30 (Wirkstoff: Thiamethoxam - 0,1 g/kg)

Dieser Köder erregte zwar die Aufmerksamkeit der Tiere, wurde von den Ameisen aber nicht gefressen. Zwar konnten immer wieder einzelne Arbeiterinnen beobachtet werden, die am Rand des Geltropfens saßen und ihre Antennen in Richtung des Fraßköders ausstreckten – eine Aufnahme des Köders war aber nicht zu beobachten (siehe Abbildung 7).

Probe 3: Microsol®-ant-gel-strong (Wirkstoffe: Deltamethrin - 2,5 g/kg und Flufenoxuron -0,6 g/kg)

Dieses Fraßgel wirkte repellierend auf die Arbeiterinnen von Crematogaster scutellaris. Es war deutlich zu sehen, dass die Ameisen vor dem Köder zurückschreckten, sobald sie in dessen Nähe kamen (siehe Abbildung 8). Eine Aufnahme des Köders konnte nicht registriert werden.

Probe 4: Finicon® Avantgarde Ameisenködergel (Wirkstoff: Natrium Dimethylarsenat - 5,75 %)

Finicon® Avantgarde Ameisenködergel erregte kaum die Aufmerksamkeit der Ameisen. Im Beobachtungszeitraum (ca. 30 Minuten) nahm lediglich eine Arbeiterin von Crematogaster scutellaris diesen Fraßköder auf (siehe Abbildung 9).

Probe 5: Fourmidor® Ameisengel (Wirkstoff: Fipronil - 0,05 %)

Dieses Präparat wurde von den Ameisen nicht angenommen.

Abbildung 7: Der Fraßköder Lasa. Gel TM 30 erregte zwar die Aufmerksamkeit der Ameisen, wurde aber nicht gefressen

Abbildung 7: Der Fraßköder Lasa. Gel TM 30 erregte zwar die Aufmerksamkeit der Ameisen, wurde aber nicht gefressen

Abbildung 8: Der Fraßköder Microsol®-ant-gel-strong wirkte repellierend auf die Arbeiterinnen von Crematogaster scutellaris

Abbildung 8: Der Fraßköder Microsol®-ant-gel-strong wirkte repellierend auf die Arbeiterinnen von Crematogaster scutellaris

Bekämpfungsaktion und Fazit

Der Test mit den fünf verschiedenen Fraßgelen erbrachte ein ganz klares Ergebnis. Nur Maxforce® Quantum war eindeutig attraktiv für die Arbeiterinnen von Crematogaster scutellaris. Am Ende des Beobachtungszeitraums wurden alle applizierten Köderpunkte wieder sorgfältig entfernt. Dann wurde Maxforce® Quantum an mehreren Stellen entlang der Ameisenstraße ausgebracht. Um zu verhindern, dass die im Nachbarhaus lebenden Kleinkinder versehentlich mit dem Fraßköder in Kontakt kommen können, wurde das Produkt mit Hilfe einer Leiter in einer Höhe von rund drei Metern ausgebracht. Bereits kurze Zeit nach Applikation der Gelpunkte konnten zahlreiche Ameisen bei der Aufnahme des Köders beobachtet werden. Nur drei Tage nach der Bekämpfungsaktion wurden von den Kunden keine Ameisen mehr bemerkt. Da auch vier Wochen nach der Maßnahme bei einer Nachkontrolle keine Arbeiterinnen von Crematogaster scutellaris mehr gefunden wurden ist davon auszugehen, dass die Kolonie durch den Einsatz des Fraßköders komplett vernichtet werden konnte.

Der hier unter Praxisbedingungen durchgeführte Test zeigt eindrucksvoll wie unterschiedlich attraktiv verschiedene, zur Ameisenbekämpfung angebotene Fraßköder für eine bestimmte Ameisenart sein können. Daher ist es in der Praxis immer wichtig mehrere Fraßköder anbieten zu können um in jeder Situation den attraktivsten Köder auswählen zu können. Letztendlich ist die Akzeptanz des Köders der entscheidende Faktor um den erwünschten Bekämpfungserfolg sicherstellen zu können.

 

Abbildung 9: Der Fraßköder Finicon® Avantgarde Ameisenködergel wurde nur von einer einzigen Crematogaster scutellaris-Arbeiterin angenommen

Abbildung 9: Der Fraßköder Finicon® Avantgarde Ameisenködergel wurde nur von einer einzigen Crematogaster scutellaris-Arbeiterin angenommen

Abbildung 10: Die Crematogaster scutellaris-Kolonie konnte durch den Einsatz des Fraßköders Maxforce® Quantum abgetötet werden

Abbildung 10: Die Crematogaster scutellaris-Kolonie konnte durch den Einsatz des Fraßköders Maxforce® Quantum abgetötet werden

Hinweis: Dieser Artikel wurde ursprünglich in der DpS-Ausgabe 9/2012 veröffentlicht.